Haftung der Eltern beim Umgang der Kinder mit Pferden

 Die elteriche Haftung beim Umgang der Kinder mit Pferden

Einmal ist immer das erste Mal. Diese Floskel gilt auch für den Pferdesport. Die einen zieht es erst im Erwachsenenalter in den Steigbügel, andere sind bereits mit Pferden aufgewachsen und konnten reiten, bevor der erste Schritt gelaufen war.


Je nach Alter des Kindes kann es jedoch mitunter schwierig sein, diesem den richtigen und sicheren Umgang mit dem neuen und liebgewonnenen haarigen Freund beizubringen, so dass den Eltern pferdebegeisterter Sprösslinge zu raten ist, den Nachwuchs besser nicht aus den Augen zu lassen.


Wer kennt es nicht, das Schild „Eltern haften für ihre Kinder“? Auch wenn es noch immer nahezu an jeder zweiten Baustelle zu finden ist und auch in dem ein oder anderen Stallbetrieb hängt, so ist eine pauschale Haftung der Eltern für Schäden, die das eigene Kind verursacht, nicht gesetzlich vorgesehen. Denn Eltern haften für den durch ihre Kinder verursachten Schaden (gegebenenfalls neben dem Kind selbst) nur, falls sie ihre Aufsichtspflicht verletzt haben (§832 BGB). Welche Maßstäbe an die Aufsichtspflicht zu legen sind, richtet nach den Umständen des Einzelfalles. Bedeutend sind hier vor allem das Alter des Kindes, der Charakter und die konkrete Situation. Grundsätzlich gilt: Je jünger und unvernünftiger das Kind, desto mehr Aufsicht bedarf es durch die Eltern. Übrigens: Kinder unter 7 Jahren haften selbst nie (§ 828 Abs. 1 BGB).


Die Frage nach der Haftung der Eltern kommt allerdings nicht nur bei Schäden auf, die, verursacht durch das Kind, an Dritten oder am Eigentum eines Dritten entstehen. Auch für Schäden am Kind selbst ist eine Haftung der Eltern möglich. Der Bundesgerichtshof hatte in zwei aktuellen Urteilen vom 19.01.2021 (Az. VI ZR 210/18; VI ZR 194/18) entschieden, dass die Eltern vollständig für die verletzungsbedingten Schäden ihres Kindes durch einen Pferdetritt haften, wenn sie ihr knapp dreijähriges Kind auf einem Reitturnier aus den Augen lassen. In dem den Richtern vorliegenden Fall konnten weder der Turnierveranstalter noch die Pferdehalterin haftbar gemacht werden, da beide nicht damit rechnen müssen, dass ein Kleinkind unbeaufsichtigt in einen Pferdetransporter klettert.


Die Haftung Dritter, beispielsweise des Pferdehalters oder Stallbetreibers, kommt jedoch dann in Betracht, wenn diese ihre Verkehrssicherungspflichten verletzt haben (z.B. Zusammenstoß eines Pferdes mit einem fahrradfahrenden Kind nach Ausbruch des Tieres aus unsachgemäßer Umzäunung). Auch kann eine Haftung wegen unerlaubter Handlung des Tierhalters vorliegen, wenn dieser einem ihm nicht näher bekannten Kind sein, diesem Kind unbekanntes, Pferd überlässt und dieses mit dem Pferd einen Unfall erleidet (OLG Köln, Urteil v. 10.12.1987, Az. 5 U 96/87).


Nach den oben genannten Urteilen des Bundesgerichtshofes haften die Eltern also vollumfänglich für die Schäden des Kindes aufgrund ihrer Aufsichtspflichtverletzung. Daneben ist auch eine Haftung aufgrund einer Körperverletzung aufgrund der Verletzung der Obhutspflicht zu bejahen.


In den Fällen elterlicher Aufsichtspflichtverletzung kann zwar eine Haftungsfreistellung erfolgen, wenn die Eltern die Sorgfalt anwenden, die sie in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegen. Dies gilt allerdings nicht für grob fahrlässiges Verhalten.


Letzteres dürfte zwar zu verneinen sein, wenn z.B. ein „unbehelmtes“ Kind im Rahmen eines Fahrradunfalls verletzt wird, da es eine Helmpflicht beim Fahrradfahren nicht gibt. Zwar existiert auch beim Reiten eine Helmpflicht bislang nicht (und dennoch ist das Tragen eines Helmes dringend zu empfehlen, besonders bei Kindern!), jedoch ist wohl hier – je nach den Umständen des Einzelfalls – über das Vorliegen grober Fahrlässigkeit nachzudenken, wenn die Eltern ihr Kind ohne Helm auf einem Pferd, dessen Verhalten nicht immer berechenbar ist, reiten lassen und das Kind infolgedessen einen Schaden davonträgt.


Als grob fahrlässig dürfte es ebenfalls anzusehen sein, wenn ein Elternteil sein Baby oder Kleinkind, beispielsweise in einer Trage, vor sich auf dem Pferd mitführt. Reiterliches Können und Gehorsam des Pferdes einmal außer Acht gelassen, handelt es sich hierbei noch immer um den Umgang mit einem Lebewesen, welches nicht immer für den Menschen vorhersehbar reagiert. So muss auch den Eltern immer bewusst sein, dass sich das Tier erschrecken oder gar stolpern und stürzen kann. Der geübte Reiter mag bei einem Sturz von einem Pferd oftmals noch mit einem blauen Auge davonkommen. Mit einem Baby vor sich, ob in einer Babytrage oder nicht, kann eine solche Situation dramatisch enden.


Vorsicht: Die Verletzung von Aufsichts- und Obhutspflichten durch Eltern zulasten ihrer Kinder kann im schlimmsten Falle auch strafrechtlich relevant sein und mit Geld- oder Freiheitsstrafe geahndet werden.


Haben Sie Fragen rund um dieses Thema oder zum Pferderecht im Allgemeinen? Dann kontaktieren Sie mich gerne zwecks einer umfassenden Beratung.


 

Lisa Adler-Malm
Rechtsanwältin


Beitrag veröffentlicht in: Pferde Rhein Main, Ausgabe Juli 2021


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